Essay: Der Rausch und das Göttliche

Essay: Der Rausch und das Göttliche

Der Begriff Rausch ist eher negativ konnotiert und hat etwas Exzessives an sich.             Doch ein Rausch ist nicht immer etwas Schlechtes. Er kann sowohl zur Zerstörung verleiten als auch schöpferische Kraft verleihen.

Insbesondere Künstlern wird der Hang zu selbstzerstörerischen Exzessen zugeschrieben, aus denen sie aber zugleich ihre schöpferische Kraft erhalten sollen. Andere sind der Überzeugung, dass ein Kreativitätszuwachs mit grenzüberschreitenden Erfahrungen zusammenhängt, die unabhängig von einem Rausch gemacht werden können.

Die Suche nach Grenzerfahrungen gleicht dem Versuch, sich mit etwas zu verbinden, das größer ist als man selbst. Eine Art metaphysische Suche nach dem Sinn im Unsinn. So hat auch das Religiöse etwas Exzessives an sich. Doch die Antworten auf so einer Suche bleiben meistens aus, der Grund dafür wird dann oft auf die eigenen Unzulänglichkeiten geschoben und die berauschende Selbstzerstörung wird fortgesetzt. Wenn es keine festen Regeln gibt und die Gesellschaft keinen Einhalt gebietet, gerät der Exzess in einen Leerlauf und wird mit der Zeit reiner Selbstläufer, ohne dabei ein erreichbares Ziel zu verfolgen.

Normalerweise meiden wir jegliche Arten von Grenzüberschreitungen, da sie für uns neue Situationen darstellen, die uns überfordern könnten. Also ist es praktisch das Unbekannte im Kollektiv zu erkunden. So ein kollektives Phänomen manifestiert sich in gesellschaftlich organisierten und kontrollierten Massenexzessen. Zum Beispiel im Fußballstadion, dort bildet sich eine sich selbst betrachtende und beobachtende Masse, die den Exzessausfall kumuliert. Solche Ausartungen werden oft begleitet von einem gewollten Hang zum Zerstörerischen und einem zwanglosen Willen zur Übertreibung.

Der Mensch setzt sich selbst Grenzen, um sein Leben zu organisieren, die soziale Gesellschaft ebenso, um als solche funktionieren zu können. Diese Regeln werden aber im Rausch für eine kurze Zeit durchbrochen, um die eigentliche Entscheidungsfreiheit, die man theoretisch in sich trägt, wieder bewusst auszuleben. Dieses Bedürfnis, stellt eine vorübergehende Rückkehr zum Ursprünglichen und Triebhaften dar.

Freud war der Auffassung, dass die Lust in uns überhaupt erst durch kulturelle und soziale Verbote hervorgerufen wird. Der Exzess verleiht das Gefühl der Selbstermächtigung, es ist mit der Lust an der eigenen Autarkie verbunden. In dieser Lust sieht Freud ein Streben danach, möglichst schnell zum Anorganischen zurückzukehren.

Doch ein exzessiver Rausch ist gar nicht notwendig, um diese Erfahrungen zu machen, oft reichen schon kleine Grenzüberschreitungen aus, die uns helfen eine neue Perspektive im Leben zu finden.

Um sich mit den Göttern und der Natur in Verbindung zu setzen, bedarf es allerdings eines größeren Rausches, wie zum Beispiel mit Psilocybinpilzen.  So ist etwa die mexikanische Kultur mit der Wirkung des Pilzes eng verwurzelt. Dort gibt es 15 verschiedene Arten mit dem Wirkstoff Psilocybin: Ein Alkoid ähnlich dem körpereigenen Botenstoff Serotonin. Ein leicht giftiger Stoff, wobei die tödliche Dosi bei etwa 1000x höher liegt als die Menge, die für einen Rausch sorgt. So marginal die Wirkung auf den Körper auch sein mag, die Wirkung auf den Geist ist fantastisch: Konsumenten erleben Halluzinationen, Visionen und Epiphanien. 

Die Ethnologie räumt den Pilzen eine besondere Rolle bei der Entstehung von bestimmten Kulturen zu. Die Schamanen nutzten die Psilocybinpilze um mit den Göttern in rituellen Zeremonien in Kontakt zu treten. Übersetzt nannten sie damals den Pilz das Fleisch der Götter. Über Jahrtausende waren die Zauberpilze Bestandteil des religiösen Lebens der indigenen Völker Mexikos. Noch bei der Krönungszeremonie von Moctezuma II, dem letzten Kaiser der Azteken, werden halluzinogene Pilze konsumiert. Christlichen Missionaren waren die Rituale im Mexiko jedoch ein Dorn im Auge. Die Vorstellung, Gott spreche über die Pilze direkt zu den Menschen widerspricht der christlichen Lehre. Also wurde die Verzehrung dieser Pilze unter Strafe gestellt.

Der Philosoph William James beschreibt in seinem Werk „Die Vielfalt der religiösen Erfahrung“ wie Individuen durch drogeninduzierte Erfahrungen oft eine spontane Erleuchtung oder Bekehrung erfahren haben. Für ihn ist Zitat „unser sogenannt normales, rationales Wachbewusstsein nur eine Spezialart des Bewusstseins überhaupt – um dieses Wachbewusstsein herum, getrennt nur durch dünnste Filter, liegen ganz andere Bewusstseinsformen … Wenn ich auf meine eigenen Erfahrungen in diesem Bereich zurückschaue, so führen sie zu einer Art Einsicht, die ich nicht anders als metaphysisch bezeichnen kann.“  

Ein Pilzetrip kann das Prinzip der Einheit vermitteln, das alles zusammengehört, die Religionen sich nicht ausschließen, sondern dass sie auf verschiedenen Wegen versuchen dasselbe zu erklären.

Die Zauberpilze lassen sich von sogenannten Partydrogen abgrenzen, die nur für eine kurze Zeit ein Hochgefühl verleihen sollen. Die Pilze können dagegen Depressionen lindern und prägende positive Erfahrungen vermitteln. Viele Drogen werden eingenommen, um die Nacht wach bleiben zu können, das eigene Ego zu stärken, um sich von den anderen abheben zu können, dagegen lassen die Pilze die Grenzen des Mikro- und Makrokosmos verschwinden und eine allesumfassende Einheit erkennen. Auch bei einem Pilzetrip kann es zu sogenannten bad trips kommen, daher sollte es gut vorbereitet werden.

Es ist an der Zeit den Rausch unter einen gesellschaftlich anerkannten Diskurs zu stellen und über möglichst alle berauschenden Substanzen und über deren Konsum zu informieren, Konsumenten zu helfen, anstatt sie zu stigmatisieren und gesellschaftlich auszugrenzen.

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